04.12.2024

Neuer Röntgenblick auf Quantenmaterialien

Superkraft für wissenschaftliche Erkenntnis – Brillanter Blick auf Quantenmaterialien

Quantencomputer gelten als die neuen Superhelden im IT-Bereich. Das anvisierte Ziel: Sie sollen zukünftig um ein Vielfaches leistungsfähiger sein als heutige Supercomputer. Dann könnten bestimmte Berechnungen, für die ein herkömmlicher Supercomputer bisher mehr als 100.000 Jahre benötigt, in wenigen Tagen gelingen. Kein Wunder also, dass die Euphorie groß ist: Quantencomputing hat das Potenzial, die IT-Welt, die Forschung und unser Alltagsleben komplett umzukrempeln.

Eine Festplatte mit Platine und Prozessor in blauem Licht
Solarseven, DESY

Sei es die sichere Kommunikation im Internet oder die Entwicklung neuer Materialien, Batterien und Medikamente – viele Anwendungen können wir uns heute noch nicht einmal vorstellen.

Wir stehen an der Schwelle zu einer weiteren digitalen Transformation: Auf Quantentechnologie gestützte Dienstleistungen werden sowohl die Geschäftswelt und Industrie als auch unser tägliches Leben beeinflussen
Porträt von Kai Rossnagel
Kai Rossnagel DESY-Forscher und Physikprofessor an der Universität Kiel

Neue Quantenmaterialien als „Enabling Technology“

Damit Quantentechnologien ihre Superkräfte einsetzen können, bedarf es Grundlagenforschung – insbesondere in der Materialentwicklung. Neue Materialien und innovative Materialkombinationen erzeugen überraschende Effekte, die beispielsweise die Fehlertoleranz der Qubits erhöhen oder Quantenprozessoren ermöglichen, die bei Raumtemperatur arbeiten. Doch wer die neuen Quantenmaterialien einsetzen will, muss sie genau verstehen – wie sie aufgebaut sind und was insbesondere die Elektronen in diesen Materialien machen.

Kai Rossnagel: „Dabei helfen uns die Analysemethoden der Speicherringe und Freie-Elektronen-Laser. Mit ihnen können wir direkt in den Maschinenraum der Quantenmaterialien hineinschauen.“

Für die Untersuchungen braucht es keine übermenschlichen Kräfte, sondern einfach die Röntgenaugen der DESY-Lichtquellen. Schon heute nutzen Forschende bei FLASH und PETRA III – und zukünftig bei PETRA IV – Spektroskopie-Techniken, mit denen sie die Bewegungen der Elektronen genau beobachten.

 

Brillantes Licht für tiefen Einblick

 „Mit PETRA IV werden wir diese Untersuchungen auf eine neue Stufe heben. Nur an PETRA IV und mit den vollkohärenten Röntgenphotonen kann der Strahl auf Nanometergröße fokussiert werden. Bislang war das praktisch nur auf Mikrometer-Skala möglich“, sagt Kai Rossnagel. „Wir messen zukünftig einzelne elektronische Wellenfunktionen inklusive ihrer Geschwindigkeit, Ausbreitungsrichtung und magnetischen Momente – den Spins.“ Mit herkömmlichen Spektroskopie-Techniken lassen sich diese Informationen in dieser Detailschärfe bisher nicht bekommen.

So können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Verhalten der Elektronen im Material beobachten, verstehen und besser kontrollieren. Letztlich kann diese Analyse dazu führen, dass elektronische Bauelemente so designt werden, dass sie Quanteneffekte optimal ausnutzen und möglichst unempfindlich sind gegenüber Störungen.

PETRA IV-Superkraft in der IT-Sicherheit

PETRA IV kann auch zur Qualitätskontrolle in der Herstellung von Halbleiter- und Quantenbauelementen eingesetzt werden. Die hochpräzisen Röntgenmethoden tragen zur technologischen Souveränität Deutschlands und Europas in diesem Sektor bei, die mit dem Europäischen Chip-Gesetz angestrebt wird. Durch die Analyse von Mikrochips aus dem Ausland kann PETRA IV die Sicherheit von IT-Systemen und die nationale Sicherheit stärken.

Der Weg in die Praxis

Die Forschung an Quantencomputer-Hardware steht noch vor einigen technischen Herausforderungen, die den Schritt zu praktischen Anwendungen erschweren:

  • Das Phänomen der Dekohärenz:  Quantenbits (Qubits) reagieren extrem empfindlich auf Umgebungsstörungen wie Wärme, elektromagnetische Felder oder Strahlung. Kleinste Wechselwirkungen können die Quantenzustände zerstören. Das führt zu Fehlern.

  • Heute arbeiten Quantencomputer mit bis zu hundert Qubits. Praktische Anwendungen erfordern jedoch Systeme mit Millionen von Qubits. Der Bau eines stabilen Quantencomputers mit Tausenden oder gar Millionen von Qubits, der gleichzeitig Fehler robust korrigiert, stellt eine massive technische Hürde dar.

  • Die meisten Quantenprozessoren arbeiten bei sehr tiefen Temperaturen. In einem supraleitenden Quantencomputer etwa müssen die Prozessoren auf -273 Grad Celsius gekühlt werden. Das ist technisch sehr aufwendig.

Portrait-Foto von Heidrun Hillen
Presse und Medien / Öffentlichkeitsarbeit

Heidrun Hillen

Als Ansprechpartnerin im PETRA IV-Projekt bin ich für Sie da. 

Zum Seitenanfang